Sechsjähriger braucht dringend ein behindertengerechtes Auto

13.9.2024
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Lesedauer:
9 Minuten. Von: Liv Sachisthal. Foto: © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

In der Erdgeschosswohnung in Mümmelmannsberg starten und landen Flugzeuge im Minutentakt. Vor dem Bildschirm im Wohnzimmer, über den die Flieger in Großaufnahme gleiten, sitzen Nino und seine Mutter Jana Pieper (Namen von der Redaktion geändert) und betrachten aufmerksam das Treiben. Es ist eine von Ninos Lieblingstätigkeiten, wenn er zu Hause ist und nicht in der Kita oder bei der Ergo-, Physio- oder Hippotherapie.

Vielleicht ist es die Leichtigkeit, mit der sich die riesigen Maschinen bewegen, die den Sechsjährigen so faszinieren. Weil koordinierte Bewegung für ihn eine große Herausforderung darstellt – etwas, was ihn sehr viel Anstrengung kostet, es zu erlernen. Denn Nino hat das PWL-Syndrom, eine Genmutation, und zudem eine spastische Cerebralparese – zwei Faktoren, die sich ganz maßgeblich auf seine Entwicklung niederschlagen.

Nino kommt als Frühchen zur Welt, erleidet Hirnblutungen

Es ist die 29. Schwangerschaftswoche, als Jana Pieper ihren Gynäkologen für eine reguläre Schwangerschafts-Vorsorge aufsucht und von dort direkt ins Krankenhaus geschickt wird. Die bislang problemlose Schwangerschaft endete mit der Diagnose „Gebärmutterhalsverkürzung“ und „vorzeitiger Blasensprung“. Nach zwei Wochen in der Klinik kommt es zum Notkaiserschnitt, Nino wird mit 1700 Gramm Körpergewicht geholt, muss drei Tage künstlich beatmet werden. Nach drei Wochen der nächste Schock: Das Frühchen erleidet Hirnblutungen und Sauerstoffmangel. Einer der Klinikärzte erläutert Jana, dass ihr Sohn nicht hören, sehen, schlucken oder laufen können wird. „Diesen Tag werde ich nie vergessen“, sagt die zierliche Frau mit den dunkelbraunen Augen. „Ich bin rausgelaufen, auf die Erde gestürzt und habe geschrien. Ich wusste einfach nicht, wohin mit mir.“

Der Kleine war ein Wunschkind, Mutter bricht nach Diagnose zusammen

Nino war das Wunschbaby, auf das Jana Pieper viele Jahre lang sehnlichst gewartet hatte. Nachdem sich der Kinderwunsch in ihrer 13-jährigen Ehe nicht realisiert hatte, war es wie ein Wunder, dass es nach dem Scheitern der Ehe mit dem neuen Partner klappte: Ein Traum wurde wahr. Die Frühgeburt und die darauffolgende Diagnose bedeuten für die damalige Mittdreißigerin dann einen umso härteren Schicksalsschlag. Aber Jana gibt nicht auf. „Es wird, es wird!“, motiviert sie sich und fährt täglich ins Krankenhaus. Nach einem Monat bekommt sie endlich ein Zimmer in der Klinik mit ihrem Sohn zusammen. Und entgegen allen ärztlichen Aussagen entwickelt sich Nino besser als jede Prognose es vorausgesagt hat.

Der Sechsjährige entwickelt sich besser als von den Ärzten vorausgesagt

Mit jetzt sechs Jahren kann Nino hören, sehen, allein essen und über den Boden krabbeln, auch wenn er dafür seine Beine gleichzeitig nachzieht und sich über beide Knie parallel hochstützt. Bereits mit zwei Jahren hat er aus eigenen Stücken die Buchstaben des Alphabets mit seinem Kinder-Tablet auswendig gelernt. Mit seinem ruhigen, liebenswerten und offenen Naturell wickelt er Freunde, Verwandte und Fremde um den Finger.

Nino ist ein offener, fröhlicher Junge, der eine Genmutation und eine spastische Cerebralparese hat. Er liebt Flugzeuge und kann schon das Abc. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Wenn er gekitzelt wird, schallt sein Lachen durch die Wohnung. Internationale Airlines kann der kleine Flugzeugliebhaber von Lufthansa über Turkish Airlines bis fly emirates nur so aus dem Ärmel schütteln. „Ich bin so glücklich. Vielleicht hat Gott uns gehört“, resümiert Jana, die von anderen Kindern mit ähnlichen Behinderungen weiß, wie viel schwerwiegender die Symptome noch ausfallen können. Aber hinter den Erfolgen steckt auch harte Arbeit. Mit acht Monaten konnte Nino noch nicht aufrecht sitzen. Stehen ist noch immer ein schwerer Akt und Laufen bislang unmöglich. Die Kita besucht er gerne, kann aber oft nicht da sein.

Weil Nino so oft krank ist, kann die Mutter nicht arbeiten, lebt von Sozialhilfe

Denn Nino ist mehr krank als gesund, nimmt jeden Infekt mit, fast immer mit hohem Fieber. Seine Mutter – gelernte Friseurin – kann deswegen aktuell keiner Arbeit nachgehen und ist auf Sozialleistungen angewiesen. In vielen Situationen muss Nino gehoben oder getragen werden. Wegen der körperlichen Belastung leidet Jana mittlerweile selbst unter starken Schulterbeschwerden und braucht orthopädische Behandlung. Mittlerweile wiegt Nino über 20 Kilogramm. Wenn er einen seiner spastischen Anfälle hat, verkrampft sich die gesamte Muskulatur, und das Tragen seines Körpers wird noch schwerer.  Unterstützung erfährt Jana von ihrer Mutter und Ninos Vater, auch wenn die Partnerschaft zerbrochen ist, als Nino drei war.

Der Alltag ist eine große Herausforderung, der Junge wird immer schwerer

Der Alltag ist trotz dieser Hilfen für die Alleinerziehende eine große Herausforderung. Vor allem in den Pkw kann Jana ihren Sohn kaum noch aus eigener Kraft reinsetzen. Die großen Haltebügel, die den Jungen seitlich abstützen sollen, sorgen dafür, dass sie ihren Sohn nur von den Vordersitzen aus wirklich sicher in seinem Sitz unterbringen kann – eine von vielen Handlungen, die im Umgang mit einem gesunden Kind ein paar Sekunden dauern, fordern hier körperliche Höchstleistung.

Der kleine Junge ist ein Wunschkind, doch durch seine schweren Behinderungen ist der Alltag der alleinerziehenden Mutter sehr herausfordernd.© FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Das neue Auto wird mit einer Rampe ausgestattet sein

Vor diesem Hintergrund bemüht sich die Mutter gerade um einen behindertengerechten Van. Der avisierte Toyota soll mit einer Rampe ausgestattet sein, sodass Jana ihren Sohn einfach mit dem Rollstuhl in den Wagen schieben und dort sichern kann. Nino müsste weder aus seinem Rolli gehoben, noch in seinen Sitz katapultiert werden, der Rollstuhl nicht extra in den Kofferraum gehievt werden. Von den 52.100 Euro, die das umgebaute Auto kosten soll, konnte Jana über diverse Spendenorganisationen schon einen großen Teil zusammenbekommen. 5000 Euro will sie selbst beisteuern, indem sie ihr noch aktuelles Auto dann verkauft.

20.000 Euro fehlen zum behindertengerechten Auto, das viel mehr Bewegungsfreiheit bringt

Rund 20.000 Euro fehlen derzeit, um das Alltagsleben von Jana und Nino Pieper zu erleichtern. Der Verein Hamburger Abendblatt hilft würde hier gern helfen und ruft deswegen zu Spenden für die kleine Familie auf. Denn neben den Ergo-, Physio- und Hippotherapien, die die Mutter mit ihrem Sohn gemeinsam Woche für Woche ansteuert, würde der neue Wagen auch für ein bisschen mehr Freiheit und Lebensqualität sorgen. Nino liebt Ausflüge in den Wald, in Wildparks und sogar ein lang ersehnter Trip an die Ostsee wäre möglich.

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Auch der Schulzeit könnte die kleine Familie gelassener entgegensehen. Denn die nächste Grundschule für Kinder mit motorischem Entwicklungsbedarf liegt mit dem Auto rund eine halbe Stunde entfernt. Das Ein- und Aussteigen mit dem Rolli über die Rampe würde das tägliche Prozedere deutlich vereinfachen. Aber noch heißt es für Nino und seine Mama Daumen drücken und weiter Anträge stellen, um genug Geld zu akquirieren.

Die Krankenkasse übernimmt keinen Anteil am behindertengerechten Auto

Die Krankenkasse übernimmt wie so oft keinen Anteil für das behindertengerechte Auto. Selbst für den Aktivrollstuhl, der Nino eigenständiges Bewegen und Drehen seines Gefährts erlaubt, musste Jana zwei Jahre kämpfen. Erst ein Gerichtsbeschluss brachte die Krankenkasse dazu, das Hilfsmittel zu übernehmen. Ohne den hartnäckigen Einsatz seiner Mutter würde Nino noch immer nur im sogenannten Rehabuggy sitzen, eine Art Kinderwagen, der ihm weder Selbstständigkeit ermöglicht noch motorischen Einsatz abfordert. Dabei ist Bewegung und das tägliche Training zu Hause und bei den Therapien existenziell für seine weitere Entwicklung.

Wenn Nino nicht täglich trainiert, droht ihm eine Hüft-OP

„Am wichtigsten ist, dass es nicht schlimmer wird“, erläutert Jana Pieper die Situation ihres Sohnes. „Wenn er nicht ausreichend trainiert, droht ihm eine Hüft-OP.“  Vielleicht kann Nino dank des Engagements seiner Mutter irgendwann stehen, laufen und sogar mal mit dem Flugzeug verreisen. Für den Moment wäre schon ein Alltag mit dem Van zwischen Therapien, Kita und dem einen oder anderen Ausflug – vielleicht auch mal zum Flughafen – ein großes Glück für Nino und seine Mama.

Spendenaufruf:

Der Abendblatt-Verein bittet um Spenden für den dringend benötigten behindertengerechten Van, Verwendungszweck „Nino“. Spendenkonto bei der Haspa, Hamburger Abendblatt hilft e.V., IBAN: DE25 2005 0550 1280 1446 66 oder über Paypal, siehe Spenden-Button auf www.abendblatt-hilft.de. Falls mehr Geld eingehen sollte als benötigt, darf es für ähnliche Fälle verwendet werden.